Ach, wie schön war es in der Oper …….

Wer zufällig 2019 in der Deutschen Oper Berlin das Glück hatte die Oper „der Zwerg“ von A.von Zemlinsky in der Regie von Tobias Kratzer zu sehen, der sei hiermit an diese grandiose Aufführung erinnert. Ich habe mir dazu ein paar Gedanken gemacht …..

Danke, Danke , Danke ! Für diese phantastische Oper von Zemlinsky, die dazu noch so genial inszeniert wurde ! Entschuldigen möchte ich mich gleich zu Anfang über meine nicht enden wollende Schwärmerei, Gott sei Dank bin ich kein Journalist/Musikkritiker, und so will ich mir diesen Vorteil gleich zu Nutze machen und wieder völlig unbeholfen und ungeordnet meine Schwärmerei in die Welt ergießen. Ich hatte Angst vor dieser Oper, weil ich befürchtete, angetriggert zu werden durch das Thema, Angst hatte, dass die äußere Schönheit am Ende doch obsiegen könnte.Nun bin ich so glücklich darüber, dass ich mich überwunden habe, mich der Angst gestellt habe und durch das Tal der Tränen gegangen bin ( genau wie Mick Morris Mehnert, mit dem ich mich nach einer Aufführung kurz unterhalten habe und der meinte, er sei so bewegt, dass er auf der Bühne wirklich weinen müsste).Ich will ganz am Ende des Stückes anfangen, denn hier ereignet sich etwas, was in die Zukunft weist, unglaublich subtil und fein inszeniert , mehrdeutig, wahnsinnig vielschichtig und symbolhaft. Die junge Dame, die Infantin, die den Dirigierstab des Zwergs zerbrochen hat, nimmt den nur noch halben Stab, sagt, sie müsse jetzt weiter tanzen und zerstört den Luftballon, der ja im Grunde auch auf eine Art ihren egomanischen und egozentrischen Charakter symbolisiert , diese jugendliche, welterobernde, herrschsüchtige Omnipotenz dieser jungen Frau ( sehr sehr gut verkörpert in der Hauptdarstellerin ). Der Dirigierstab, der, wenn man so weit gehen will, ja auch ein Potenzsymbol im übertragenen Sinne des Zwerges sein könnte, dieser nun impotente Stab zerstört nun diesen Luftballon und könnte in die Zukunft projiziert sozusagen eine Initiation für die junge Frau hin zu einem Erwachsenwerden sein und somit der Beginn einer neuen Geschichte sein: Das Ende ihrer jugendlichen Omnipotenzphantasie , der Beginn der Verantwortung , des Aufsichnehmens der Schuld!Das ist das Ende der Oper, wie ich es empfand, trotz des tragischen Endes mit einem aufscheinenden starken Licht, nicht zuletzt natürlich durch die versöhnenden Worte der Zofe.
Wir müssen uns bedanken für diesen unglaublichen Mut des Regisseurs, diese „politische incorrectness „, wie er es selber nannte, zu begehen, Mick Morris Mehnert als den kleinwüchsigen Zwerg zu engagieren. Welch ein Mut! Das Thema, welches ja auch, ich gehe mal davon aus, bestimmt sehr tiefgreifende Emotionen bei ihm, Mick M. Mehnert, auslöst. Nachdem ich kurz mit Mick M. Mehnert sprechen durfte, habe ich den Eindruck, dass es ein Geschenk für Alle war, sich diesem Thema auf diese wortwörtlich ausgelegte Darstellung auszusetzen, denn, wenn ich ehrlich bin, weicht mein Blick im Alltag solchen Menschen, vielleicht aus einem falschen Verständnis von Rücksichtnahme, einfach aus, obwohl ich doch ein neugieriger Mensch bin und einem solchen Menschen gerade heraus ins Gesicht schauen möchte wie anderen auch. Nun hatte ich dadurch, dass es meinem Blick erlaubt war, bzw. ich es mir erlaubt habe, die Gelegenheit, Mick M. Mehnert genau zu beobachten, sein faszinierendes und bewegendes Spiel. Und ich habe ebenso erleben dürfen, wie schön dieser Mensch ist! Man hat ganz deutlich gespürt, dass auch die anderen Darsteller durch seine Anwesenheit sehr tiefen Emotionen ausgesetzt waren. Wie sagte es ein Kritiker, seine Präsenz gab dem Stück die“Fallhöhe“ , ja so sehe ich das auch !Nun zum Anfang :Ein absolut genialer Einfall, das Stück auf der einen Seite, mit dieser Anfangsszene, mit einem klaren Hinweis auf die autobiografischen Bezüge des Komponisten hinzuweisen. Das ermöglichte ganz klar, sich empathischer mit der Geschichte zu identifizieren, auf der anderen Seite aber durch die Dopplung der Person auf die philosophische Tragweite und allgemeine Problematik hinzuweisen. Durch diese Dopplung wurde diese Schizophrenie zwischen dem Kiergegaard’schen“man“ und dem eigenen Selbstbild augenfällig! Völlig beeindruckend das Wechselspiel und die Interaktion der verschiedenen Bilder die man von seinem Gegenüber hat, das langsame Insspielkommen des großwüchsigen Sängers, als plötzlich auftauchendes inneres Bild der Infantin vom Zwerg!Sehr tief bewegend die Herausarbeitung des Parsifalmotivs, denn auch der Zwerg weiß nicht, wer er ist und fordert die Infantin auf, es ihm zu sagen. Insofern auch eine brutale „Selbstfindung“ durch die Konfrontation mit der vermeintlichen “ Wahrheit“ der öffentlichen Meinung ( das von Kiergegaard hervorragend analysierte „man“) mit Zuhilfenahme des Spiegels, der angeblich die Wahrheit sagt. Hervorragend und tiefberührend der Moment, wo der Zwerg, in dem Moment dargestellt vom großwüchsigen Sänger, noch ganz in Entität mit sich selbst ist, sogar als die Zofe ihm bereits gesagt hat, dass er hässlich sei, dessen aber , auch mit Blick in den Spiegel nicht gewahr wird, aber dann plötzlich eine Vorstellung dessen bekommt, was das “ Man“ über ihn denkt und wie es ihn erlebt. Ein Schock! Tiefberührend der Moment, wo das Selbst nicht mehr, wie die Existenzphilosophen sagen, in Koinzidenz mit sich selbst lebt, sondern das Bewusstsein das Selbst spaltet. Einer der tiefbewegendsten und schmerzhaftesten Momente, die ich überhaupt in der Oper je erlebt habe, Dank an diesen großen Regisseur !!!Das wir immer noch in einer Welt leben, in der subjektive Wahrheiten, Projektionen als allgemeingültige Wahrheiten verkauft werden, zeigen mir allein die Kritiken über dieses Stück. Nämlich dass, folgt man einigen Kritiken zu der Oper, die Andersartigkeit, das Abweichen von der Norm als ein Faktum und Merkmal von Hässlichkeit eine Realität darstellt. Es wird davon gesprochen, dass der Zwerg beim Blick in den Spiegel die Realität erkennen würde in einem Prozess der Selbsterkenntnis und daran sterben würde. Die Diskriminierung setzt sich meines Erachtens in einem falschen Verständnis fort und fort und fort. Im Gegensatz dazu nimmt die Inszenierung dazu im Grunde, genau durch den Kunstgriff, die Person des “ Zwerges“ zu spalten, gar keine wertende Haltung ein. Deshalb entsteht dieser wundervolle und erkenntnisreiche Effekt, dass es sich eben fragt, ob es am Ende ein grossgewachsener Mensch war, der sich für klein, oder ein kleingewachsener Mensch, der sich für groß gehalten hat, war. Ein ganz, ganz wesentlicher Punkt, der uns ja eben dorthin führt, uns unseres eingeschränkten Blickes, der Relatives für Absolutes hält, gewahr zu werden. Denn Mick Morris Mehnert ist nicht klein weil er klein ist, sondern nur dadurch, dass die Mehrzahl der Menschen größer ist! Wären die meisten Menschen noch kleiner als er, wäre er ein Riese! Was also sagt uns unsere Erkenntnis, dass Herr Mehnert ein hässlicher Zwerg ist ? Nichts, nichts, nichts und nochmal nichts und ich danke dem Regisseur tausendfach !Aber diese sehr schlüssige und einfache Rechnung und Bewusstwerdung dieses Tatbestandes – der selbsttrügerischen Spiegelbilder – ist nicht das, was mich so tiefgreifend berührt hat, sondern die Darstellung der aus diesem Tatbestand resultierenden Gemengelage, der tödlichen Folgen, der Selbstzweifel, der sich zum absoluten Urteil aufschwingenden Masse, das kalte Beil des Urteils schwingend, der damit einhergehenden Aggression (wunderbar dargestellt durch den Aggressionsausbruch des Orchesters) und Autoaggression (als der Zwerg den Zwerg in sich umbringt, damit einen Teil seiner Selbst und stirbt).Fazit: man kann schon vor seinem eigenen faktischen Tod tot sein indem man bestimmte Aspekte seines Selbst negiert und abwürgt. Eine Aufforderung dazu, der zu sein, der man ist!!!Danke für die Tränen, die mir durch diese Oper geschenkt wurden!

TobiasKielinger

Schreibe einen Kommentar